leben…

Nein, ehrlich, er sollte nicht leben! – Also, hallo, nicht falsch verstehen, aber es ist einfach so, dass er nicht geboren werden, nicht leben sollte…oder so ähnlich!

Das fängt schon mit dem Namen an: Er wurde geboren, erhält Taufpaten, die schon etwa 6-8 Jahre tot sind und lebt mit den Namen zweier Toter. Während ich das schreibe, fühle ich mich wie Nobody Owens…

Also kein Wunder, dass er dieses Geboren-Werden mit allen Mitteln verhindern wollte: die Nabelschnur zweimal um den Hals, das müsste doch genügen, dachte er damals. Denkste! Zwei große Schaufeln zerrten ihn raus ans grelle Licht und…aus der Traum!

Aber Leute, mal herhören! Er soll gar nicht leben, das ist alles ein grässlicher Irrtum…

…annähernd 22 Jahre hat er versucht, mit diesem seinem Lebens-„Irrtum“ klar zu kommen, obwohl er ihm damals noch nicht bewusst war. Er war nämlich: dusselig, schüchtern, ungeschickt, zu still, stur, ängstlich, … – wie gesagt, er sollte nicht leben.

Camus beschreibt in dem Essay „Der Mythos des Sisyphos“ die menschliche Existenz als hoffnungslose Absurdität. Gott sei tot und das Leben insgesamt sinnlos. Wir würden in einer hoffnungslosen Welt leben und dennoch so tun, als hätte alles einen Sinn. Der Sinn suchende Mensch im sinnleeren Weltall.

Das würde ja zum geschilderten „Irrtum“ so richtig gut passen…aber…

…allem Geschehen und Camus zum Trotz begann dann ein an Absurditäten reiches, aber keineswegs absurdes Leben…

Aber was in aller Welt ist das eigentlich?

Und wem soll man diese dusselige Frage überhaupt stellen?

Kant?, Schopenhauer?, besser vielleicht Nietzsche? Nein, zu verstrudelt, dann doch vielleicht lieber Marc Aurel? Oder gar Oscar Wilde? – Harari hätte seine Freude an dieser Lebenssuche und würde es wohl als nicht existent bezeichnen, entstanden in einem Hirn lang bevor es überhaupt bewusst an leben gedacht hat…

Denken… Wird der Gedanke lebendig, wenn er gedacht wird?  Oder ist Leben nur eine Sonderform von Existieren, so wie Oscar Wilde meint? Nun mag der zwar kein Philosoph gewesen sein, aber vielleicht stimmt’s ja doch irgendwie…

Oder ist er doch schon da, lange vorher…der Gedanke? – Platonisches Denken, wenngleich verführerisch, hilft uns wohl wenig weiter. Denn für leben hat uns Platon nicht wirklich eine gedankliche Ur-Form geliefert. 

Irgendwo inmitten dieser Sucherei winkt uns Camus aus dem Bücherregal zu mit seinem „Est-ce que je devrais me tuer …“ und Dennis Wahl, der in der 3. Funzel schreibt, der Sinnverneinde wähle Kaffee (…“ou boire plutôt une tasse de café“).

Finden wir so eine Antwort auf die anfängliche  Frage nach dem „Er-soll-nicht-aber muß“ eines scheinbar so eng todesverknüpften Lebens. Müssen wir uns wirklich selbst betrügen, um die Angst abzuschütteln? – Nun ja, in besagtem Artikel wird eine Antwort ja scheinbar gefunden.

Aber will er, unser Nobody Owens philosophischer Fragekunst, sich damit zufrieden geben, dass Leben umso besser gelebt werden wird, umso weniger Sinn es hat? Und auch wenn er kein Camus ist, so erscheint eine solch existentialistische  „Sisyphonie“ doch eher zu fern, um ihm zu gefallen. Das mag sehr vermessen klingen von einem der Selbststrangulation in utero Entronnenem, (was, wie gelesen, seine Begeisterung für eben das nicht besonders gesteigert hat).

Wie man weiß, ist Camus der Ansicht, Sisyphos als einen glücklichen Menschen zu betrachten. Aber bei aller Liebe zu Camus: der S. war also auch noch glücklich über seine Strafe, denn das war sie … für seine Verschlagenheit, Schlitzohrigkeit und skrupellose Schlauheit. Aber dann wäre er nach der Frage „Tod oder Kaffee?“ der sinnverneinende Kaffeschlürfer, der die Strafe „leben“ auf sich nimmt und damit glücklich ist? Grade weil sie so absurd ist? Und das Bewusstsein der Absurdität zugleich eine Entdeckung seiner Freiheit sein soll…

Er schlürfe morgens Tee, mittags Tee, abends Tee (und dazwischen Tee) – weder sinnlos noch Sinn verneinend … verhindert er jetzt so seinen selbstgewählten Tod oder ist er glücklich?

Vielleicht betrachten wir einfach mal „das Leben“, ohne „Tod oder Kaffee“. Müssen wir dann nicht, statt Sinn verneinende Kaffeetrinker zu sein, zu Sinn bejahenden – meinetwegen auch existentialistischen – Menschen werden?

Ist „Rettung“ nah mit künstlichem „Leben“, das dann völlig wert(e)frei existiert? –  Also keine allmorgendliche Frage „…tuer ou boire…“, sondern reines Existieren…, ein für Camus sicher durchaus erfreulicher Gedanke.

Würde ich diesen Gedanken äußern, hätte ich gleich eine Schar Studenten da stehen, die lernen wollen, um Großes zu vollbringen, die Welt zu bewegen, etwas – etwas wirklich Sinnvolles – zu hinterlassen…

Einer von ihnen meinte: „Für mich haben Behauptungen, die keine realen Auswirkungen auf mein Handeln haben, schlicht und ergreifend keinen Stellenwert, der hoch genug ist, dass er mich weiter mit ihren noch so kontroversen Aussagen beschäftigen würde“. –

Wäre das die (notwendige) Antwort auf Camus‘ Sisyphos?

Oder springt diesem jungen Mann der schnauzbärtige Nietzsche bei, einerseits mit seinem Willen zur Macht, andererseits mit dem Nihilismus, den er als notwendiges Stadium für die Freiheit des Menschen begreift. Denn erst wenn der Mensch nicht mehr mechanisch nach den Regeln lebt, die ihm von außen diktiert wurden, nur dann kann er wirklich lebendig sein, wirklich etwas (er)schaffen…